Good Morning Vietnam

Geschrieben von Sabine

Angekommen sind wir spät in der Nacht gegen Mitternacht, bei Nieselregen, 30 Grad und gefühlten 90% Luftfeuchtigkeit! Zum Glück hat unsere „Visa on Arrival“ Prozedur auch ohne Dollars, sondern mit Euros in der Tasche, reibungslos geklappt. Wir haben uns in ein Taxi gesetzt und sind durch ein relativ leeres, noch recht sozialistisch wirkendes Ho Chi Minh Stadt zu unserem Guesthouse gefahren. Wahrscheinlich ist es völliger Blödsinn, Japan mit Vietnam zu vergleichen, aber da wir nun mal eben von dem einen Land ins andere gereist sind, komme ich aus dem Vergleichen gar nicht mehr raus. Schon am nächsten Morgen wurde uns jedenfalls gleich klar: hier ist alles gaaaanz anders!

Auf der Suche nach einem Frühstück fielen wir quasi gleich über die ersten Frucht Smoothie Stände in unserer engen Gasse! Endlich wieder Früchte – und dazu noch so tolle: es gibt hier alles in Hülle und Fülle von Mangos zu Papayas, Maracujas, Drachenfrüchten, Lychees, Jack Fruit…

 

 

Nach zwei Wochen Japan, wo Obst ein Luxusartikel ist und selbst ein gewöhnlicher Apfel locker mehr als ein Euro kostet und beim Essen auch die Salatdeko mitgegessen wird, ein Paradis für uns und unsere vitaminsüchtigen Kinder. Den Satz „ich will was Frisches“ hörten wir von Nelio und Liam recht häufig in Japan und kauften zähneknirschend die Tüte Äpfel für 5 €!

Dann kam der erste kleine Schock. Unsere Guesthouse Mutter schickte uns zu unserem ersten Ausflug auf den Markt und die erste Hürde mussten wir erstmal bewältigen: wie kommen wir eigentlich über die Straße?

Über Ho Chi Minhs Straßen fließt ein stetiger Strom an Mopeds, Bussen, Autos etc. Zebrastreifen sind zwar eingezeichnet, aber keiner hält freiwillig an. Die ersten Male hetzten wir also etwas panisch, jeder mit einem Kind in der Hand über die Straße oder hängten uns an Vietnamesen hinten dran beim Überqueren. Im Laufe des Tages lehrte uns dann ein alter, lächelnder, hinkender Mann, wie man es richtig macht: einfach langsam in den fliesenden Verkehr hineinlaufen, nicht zurückschrecken, nicht schneller werden, so das alle Mopeds einen sehen und umfahren können. Diese Methode steht übrigens auch in jedem Reiseführer, wir hatten zu diesem Zeitpunkt aber noch keinen!

Jetzt reisen wir mit nem alten Lonely Planet von 2004 und dürfen uns jedes Mal freuen, wie wenig Andy und Antje damals bezahlen mussten! Aber nach Japan kommen wir uns hier wieder recht wohlhabend vor.

Wir überlebten also unseren ersten Tag in Ho Chi Minh, verkehrsumtost, die Ohren gut durchgehupt. Wir pausierten zum Suppe essen, frische Kokosnuss trinken, allerlei Interessantes an den Strassenständen kosten, probierten vietnamesischen Eiskaffee und Zuckerrohrsaft und sogen den Rhythmus der Stadt in uns auf. Das war jedenfalls eine ganz andere Welt als Japan!

Auch von japanischer Zurückhaltung ist hier nichts zu spüren! Auf den Märkten wird man bestürmt, das eine oder andere zu kaufen (kann aber auch immer lächelnd einfach weiter gehen), vor allem die Kinder und Liam werden gestreichelt, gehätschelt und in die Wange gekniffen. Das steigerte sich noch nachdem die beiden sich einen landestypischen Reishut auf dem Markt kauften und dadurch in vietnamesischen Augen anscheinend noch süßer wurden (in unseren aber auch ein bisschen).

Rumreisen ist hier sagenhaft einfach, überall werden Ausflüge angeboten, die man von einem zum anderen Tag buchen kann und genauso wie Busfahrten von A nach B oder Hotelzimmer, bucht man schnell online über das überall vorhandene Wifi.

Also stürzten wir uns gleich in das Vergnügen und brachen am kommenden Morgen zu einer zweitägigen Mekong-Delta-Tour auf. Nelio hatte sich eine Bootsfahrt zum Geburtstag gewünscht!

Diese zwei Tage waren vollgestopft mit Ausflügen und Besichtigungen. Das Herrliche war, wir mussten nichts planen und selbst überlegen, sondern fuhren einfach mit! Unser Reiseführer sprach zwar ein solches Kauderwelschenglisch, dass das meiste Inhaltliche an uns vorüberging, aber trotzdem sahen und erfuhren wir sehr viel und es machte es sehr viel Spaß.

Am ersten Tag schipperten wir von Insel zu Insel über einen der riesigen braunen Mekong Arme. Jede Insel hatte eine Funktion: die Kokosnussinsel – hier wurden Kokosnuss Candys hergestellt, die Bieneninsel – mit Honigverkostung und die Hier-gibt’s – Mittagessen Insel. Hier gab es angeblich auch Krokodile zu sehen, die wir aber sehr zum Kummer von Nelio und Liam verpassten. Dafür schaute ich mir den herrlich skurrilen Tempel der Kokosnuss Religion (?) an, der aussah wie eine verrosteter Kinderspielplatz aus dem Plänterwald!

Von der Mittagessens-Insel aus wurden wir auf Ruderbooten durch einen kleinen Kanal geschippert. Liam meinte dazu:“ Mann, hier ist aber ganz schön viel Natur!“ Und wirklich, der kleine Kanal schien durch einen so saftig, erdigen nass triefenden Schlund zu führen, das einem ganz anders wurde.

Auf der folgenden Insel gab es Früchte, die hier mit Chili-Salz serviert werden und Gesangsdarbietungen. Danach fuhren wir noch eine ganze Ecke weiter zu unserem Hotel in Can Tho. Puh, das war ne ganz schöne Tour und auch eine ziemliche Touristenschleuse!

Der nächste Tag war dafür echt toll und noch dazu Nelios Geburtstag!

Früh um sechs Uhr mussten wir aufstehen, alles packen und machten eine kleine Bescherung für Nelio beim Frühstück. Er hat eine eigene kleine Digitalkamera und ein paar weitere Kleinigkeiten zum Auspacken bekommen. Dann ging es zum Floating Market, den wir uns alle ganz anders vorgestellt hatten. Wir dachten, wir fahren zu den Marktbooten, statt dessen legten die Boote bei unserem an und boten ihre Waren feil. Im Anschluss besuchten wir eine Glasnudelfabrik und lernten wie diese hergestellt werden. Unsere letzte Station war ein, laut Reiseleiter „Natural Garden“. Dort konnten wir Fahrräder ausleihen und fuhren ein paar Kilometer durch kleine Pfade an Kanälen entlang, unter Bananenstauden, an Papayabäumen vorbei bis zu einem riesigen weit verzweigten und gigantisch ausladenden heiligen Baum, der beklettert werden durfte! Das war wirklich toll!

Nach Ende der Radtour durften die Wagemutigen unter uns vietnamesisches BBQ kosten. Es gab Frosch, Schlange, Ratte und Fisch. Angeblich war Ratte am leckersten, wir wählten einen saftigen Frosch und eine etwas zähe Schlange (die übrigens bei lebendigem Leibe gegrillt wurde). Nelio und David bestellten lieber einen gefüllten Crêpe. Wahnsinn was man alles an einem Tag und alles vor 12 Uhr erleben kann!

Insgesamt war es echt spannend zu sehen wie die Menschen am Mekong leben. In einfachsten Verhältnissen, wobei das braune Wasser des Mekongs für alles genutzt wird. Das Mekongdelta blieb für mich sehr abstrakt, und wenn ich nicht den Googleview im Kopf hätte, hätte ich mir das Delta nicht vorstellen können.

Abends zurück in Ho Chi Minh erfüllten wir noch Nelios Geburtstagswunsch und besuchten endlich, nachdem wir das in New York nicht geschafft haben, ein richtiges Hochhaus! Den Lotusblütenförmigen Financial Tower! Was für ein Kontrast nach unserem Tag am Mekong, in diesem piekfeinen glitzernden Hochhaus zu stehen!

Am nächsten Tag ging es weiter. Wir hatten alle dringend eine Reiseverschnaufpause nötig und fünf Tage in einem Hotel in Mui Ne am Strand gebucht.

Per sehr komfortablen Bus mit AirCo und Liegesitzen fuhren wir dorthin!

So und hier sind wir jetzt immer noch und genießen die Sonne, den Hotelpool und das Meer das so warm ist, wie ich noch kein Meer erlebt habe. Wir sind hier in der absoluten Low Season, von dem her ist hier kaum einer außer uns, die meisten Backpacker wohnen wie wir im echt komfortablen Mui Ne Hills, das mit 50% Rabatt lockt! Wir haben jedenfalls ein riesiges Zimmer mit Blick gen Meer und genießen die Ruhe und das Verweilen und finden auch endlich mal wieder mehr Zeit, unsere Kinder zu beschulen.

In Japan hatten wir ja eine Zeitlang die kleinen Tische beim 7/11 Supermarkt als Schulbänke genutzt, dann in Tokyo ein Starbucks Café, was schon komfortabler war, aber unsere Terrasse hier neben dem Pool in der Meeresbrise ist bisher noch ungetoppt! Liam vermisst trotzdem seine Schule und am meisten natürlich seine Mitschüler!

Gestern waren wir am Strand, wo Fischer in blauen, runden, Badewannen ähnlichen Booten zum Fischen rausfahren. Angeblich hatte die französische Kolonialmacht das Fischen in Booten die länger als zwei Meter sind damals verboten und so entstand diese uns ganz fremde Bootsform!

Das Meer hat tatsächlich ungefähr Körpertemperatur, direkt am Strand ist es sogar eher wärmer! Abkühlung ist also nicht drin! Nelio, Liam und ich haben dann noch das merkwürdige Phänomen der Springkrabben erlebt, plötzlich kribbelt und kitzelt es an den Füssen und schon steht man mitten in einem Schwarm kleiner durchsichtiger Minikrabben, die um einen herum und aus dem Wasser heraus hüpfen! Ein etwas merkwürdiges Erlebnis!

Dann haben wir uns zum ersten Mal zu viert aufs Moped gewagt! Wir waren erst etwas skeptisch, ob wir alle drauf passen würden, aber unser vietnamesischer Vermieter meinte dazu „no Problem with the Babies!“ Und wirklich, wir und unsere „Babies“ passten locker drauf: ein Kind vorne zwischen Davids Füßen und eines zwischen uns, und ich ganz hinten. Vietnamesische Familien machen es schließlich auch so!

Unser Ausflug führte uns zum verwunschenen Fairy Stream, einem kleinen Flüsschen, das man barfuß durch eine kleine Schlucht mit leuchtend roten, orangenen und weißen Sandsteinformationen entlang wandert. Wunderschön, bis auf unseren kleinen Irrweg am Ende, ein gelungener Ausflug. Mit dem Moped ging es weiter nach Mui Ne, wo wir Fischer beim Einholen und Sortieren ihrer Beute beobachteten und leckere frische Frühlingsrollen auf dem Markt verspeisten. (Nelio und Liam sind leider nach Japan nicht mehr so experimentell und essen jetzt am liebsten nur noch Pommes und Pizza im Hotel).

Ich habe seit wir in Vietnam sind auch immer mal wieder so eine kleine Reiseverwirrung und weiß manchmal kurz nicht mehr, in welchem Land ich bin. Vietnam erscheint mir jedenfalls erstmal ganz anders als ich es mir vorgestellt habe, sozialistischer im Straßenbild, die Leute aufgeweckt und weniger zurückhaltend als in anderen asiatischen Ländern, aber alles auch ein bisschen wilder und improvisierter, fast wie in Westafrika!

Unser Ausflug zu den orangeroten Dünen hat mich umso mehr an Marokko erinnert. Wenn man ankommt, wird man sofort von einer Handvoll Kinder belagert, die einem ein langes flaches Stück Plastik in die Hände drücken: das sind Schlitten, denn eine der Hauptattraktionen ist es, per Schlitten die Dünen hinunter zu brausen. Zum Glück kamen zwei vietnamesische Schlitten-fahr-Fachkräfte mit uns und führten uns in die richtige Technik ein, denn einfach so ging das nämlich nicht. Zuerst wurde die Bahn präpariert und mit einigem lose drauf geschaufelten Sand gleitfähiger gemacht, dann der Schlitten gewachst, die Kinder in die richtige Rennfahrerposition gebracht und mit einem Schubs den Berg runterbefördert! Danach waren wir ausreichend sandig paniert und verschwitzt und mussten uns erstmal mit frischer Kokosnuss und Eiskaffee in den Hängematten ausruhen.

Unser nächster Mopedausflug führte uns nach Phan Thiet, auf den Markt, wo wir aber anscheinend gerade in der Mittagspause ankamen. Wir fuhren zum Hafen mit den vielen blauen Booten, sozialistische leere Prunkstraßen entlang und zu einem alten Cham Tempel, die ähnlich wie die Khmer Tempel in Kambotscha sind.

Insgesamt ist das Reisen in Vietnam schon echt entspannter als in Japan, auch fallen wir mit unseren lauten wilden Kindern weitaus weniger auf. Trotzdem kann ich auch nicht leugnen, das das Reisen in der Familie manchmal echt anstrengend ist. Wahrscheinlich sehen wir auf allen Fotos immer eher sonnengebräunt, erholt und glücklich aus, aber ich will euch auch nicht vorenthalten, das das 24 Stunden aufeinander Rumgehocke manchmal echt ganz mächtig an

den Nerven zehrt und ich auch gerne mal ein paar Stunden alleine unterwegs wäre. Wir erleben viel, verpassen natürlich aber auch vieles, was wir vielleicht als Paar eher erlebt hätten. In Japan waren wir teils durch unser Camperleben recht isoliert und sehr auf uns vier zurück geworfen. Auch sind viele Japaner so zurückhaltend, dass ich mich manchmal, obwohl eigentlich so auffällig wie ein bunter Hund, fast unsichtbar gefühlt habe. Das ist in Vietnam nicht so, vor allem durch die Kinder werden wir auf der Straße immer wieder angesprochen. Sehr wichtig ist hier die Frage nach dem Geschlecht der Kinder. Liam hat sich auf Grund der Hitze hier vor ein paar Tagen etwas wehleidig von seinen langen Locken befreit. Trotzdem geht er für viele Vietnamesen anscheinend noch als Mädchen durch, was auch mal durch einen schnellen Griff zwischen die Beine überprüft wird. Davor konnten wir ihn zum Glück immer noch in letzter Sekunde bewahren!

Hier fällt mir vor allem auf, dass wir als reisende Familie die absolute Ausnahme bilden. Wenn hier welche mit Kindern unterwegs sind, dann mit weitaus kleineren Kindern. Das Gros der Reisenden bilden aber Traveller aus allen möglichen Ländern, die eher Anfang zwanzig sind.

Von dem her sind wir sehr froh, dass wir uns mit so vielen Freunden verabredet haben und freuen uns sehr darauf, euch alle bald zu treffen!