Karneval im Süden Taiwans

Geschrieben von David

Unser nächster Ausflug sollte uns am vergangenen Wochenende in den Süden Taiwans auf eine Karnevalsparade führen, die die Dream Community dort bereits zum fünften Mal veranstaltet.Aus unserem geplanten Familienbesuch wurde schließlich eine kleine Karnevalsgruppe, die Tag um Tag wuchs und am Ende zu unserem eigenen Erstaunen 19 Personen umfasste, die alle von Sanyi aus losreisen sollten.

Die Tage vor der Parade waren wir voll beschäftigt, um Masken, Kostüme und Stelzen zu bauen, eine Choreografie zu entwickeln und als Transportmittel für Trommler, Musikanlage und Batterie einen kleinen Trailer zu konzipieren, der so auseinander zu nehmen war, dass er sich zusammen mit 8 Personen in einem Van transportieren lässt. Eine echte Herausforderung, die mir aber zugegebener Weise  viel Spaß bereitete.


  
  
Als Grundlage nutzte ich einen kleinen klappbaren, nagelneuen Schiebewagen, den ich zusammen mit unserem Kofferkuli als rollbare Basis miteinander verband. Darauf kam dann ein Gestell aus Bambus, der in unserem Tal überall wächst und den ich mit Kabelbindern als Stecksystem transportfähig zum leichten Auf- und Abbau stabil verzurrte. Zum Glück hatte ich mein Werkzeug zusammen mit meinem Faltrad, der Autobatterie und dem Stromwandler der Dream Community auf dem Burning Man Festival mitgegeben!
Da unsere beiden Kinder wild entschlossen waren, die Parade auf Stelzen mit zu laufen und sich noch weitere drei Kinder dazu gesellten, wollte ich noch eine Festhaltemöglichkeit einbauen, damit sie sich zur Not an etwas ausruhen können. Also wuchs die Konstruktion gezwungener Maßen in die Höhe. Dann wurde noch klar, dass die Einräder auch mit auf die Parade sollten und gegebenenfalls abgelegt werden mussten. Also baute ich eine Etage tiefer noch zwei Stangen zum Anhängen der Räder an. Zusammen mit einem Gitarrenverstärker und einem kleinen Höckerchen entstand so eine Konstruktion, die an ein Schiff erinnerte. Wir verstärkten den Charakter, bauten zwei Masten, einen Bug und suchten in den großen Lagerräumen der Community nach stoffähnlichem Material für die Segel. Dann malten und schnitten wir mit den kleineren Kindern Tiere und Fabelwesen aus Pappe aus, mit denen wir das Äußere des Bootes gestalteten.
Da es nicht ausreichend Schlafplätze gab, wurde beschlossen, dass wir einen Tag vorher anreisen sollten und die anderen am Paradentag selbst nachkommen würden. Also wurde bereits am Freitag alles wieder auseinandergenommen und zurecht gelegt. Nach dem Frühstück packten wir und luden alles ein: Das komplette Boot, ein Teil der Stelzen und Kostüme, Schlafsäcke, Isomatten, privates Gepäck, vier Kinder und vier Erwachsene. Der Toyota Van war gut voll!


  
  
Kurz vor unserer Abfahrt bekam ich noch eine Freundschaftsanfrage auf Facebook von Yi Chin, die 2012 zusammen mit drei anderen taiwanischen Austauschstudentinnen als Musikerin bei unserem Blauen Drachen in Berlin am Karneval der Kulturen teilgenommen hatte. Ich antwortete noch schnell, dass wir gerade in Taiwan seien in Richtung Pingtung führen. Sie schickte die Mail weiter an die drei anderen und siehe da, Lala, Ya Fang und Stefanie wohnen jetzt ebenfalls im Süden des Landes ganz in der Nähe von Pingtung. Lala und Ya Fang hatten Zeit und beschlossen kurzer Hand, uns zu besuchen. Sie schrieben zurück, dass sie uns noch am selben Abend treffen möchten!
Unsere Fahrt verlief problemlos und bei dem pünktlichen Essensstopp um 12 Uhr 30 machten wir Bekanntschaft mit den taiwanischen Autobahnraststätten: Im Vergleich zu ihren deutschen Pendants sind es in unseren Augen Oasen des kulinarischen Genusses! Es gibt zig verschiedenen Esslokale, die frisch zubereitetes Essen anbieten, Cafés, diverse Geschäfte, einen Supermarkt, mehrere kostenlose und sehr saubere Toiletten und alles zu vollkommen moderaten landesüblichen Preisen. Unsere Kinder aßen Mango-Würstchen und wir leckere Suppen.


  

Pünktlich kamen wir in Pingtung an und trafen Jay Jay und Wayan, unsere langjährigen Freunde aus der Dream Community. Sie zeigten uns ihre neuesten Karnevalsgefährte, eine große fingerwackelnde Ente und einen Baum mit Armen und Händen. Nelio wollte gleich die Kostüme und Masken anprobieren, ich sollte in einen der tragbaren Baumstümpfe klettern und wir ließen uns alles zeigen und erklären. Dann fuhren wir zu einer Art Mascamp, eine alte Kita, wo vieles gebaut wurde und andere Karnevalsobjekte gelagert werden. Direkt in der Kirche gegenüber sollten wir bei einem Pfarrer und gleichzeitig sehr bekannten taiwanischen Puppen- und Schattentheater Künstler wohnen dürfen. Kirchen erinnern hier eher an normale Wohnhäuser und beherbergen lediglich einen Versammlungsraum im Erdgeschoss. Auf zwei Stockwerke verteilt kamen wir alle gut in der Kirche unter und machten uns auf den Weg, den Startpunkt und die Strecke zu besichtigen. Dann rief ich Lala an und sagte ihr, wo wir gerade seien und sie wollte sofort mit Ya Fang kommen und uns zum Essen einladen. Wir trafen uns dann tatsächlich gegenüber in der katholischen Kirche, wo Vanessa und Sabine gleich noch mit dem italienischen Pfarrer Absprachen über Umkleidemöglichkeiten am kommenden Tag trafen.
Anschließend wurden wir von Ya Fangs Familie in ein außerhalb gelegenes vegetarisches Restaurant geführt, wo wir ein total leckeres 10 Gänge Menü und zahlreiche Geschenke bekamen. Mehrere taiwanische Teekännchen, leckeren Tee, Süßigkeiten und ein Spieleset für die Kinder.


  
  
Zu unserem Erstaunen machte das Restaurant allerdings um 20 Uhr 30 bereits zu und wir wurden als die letzten Gäste am Ende höflichst gebeten, doch endlich zu gehen.

Vollkommen überwältigt von soviel Wiedersehensfreude, dem leckeren Essen und all den Geschenken fuhren wir zurück in unsere kleine Kirche.
Am nächsten Morgen fuhren wir nach dem Frühstück zum Aufbauplatz und begannen, unser Schiff aufzubauen und zu dekorieren. Bereits um 10 Uhr 30 kam unser zweiter Van mit Salong, Melody und insgesamt 9 Kindern im Schlepptau an. Alle waren mächtig aufgeregt und es wurde immer schwieriger, aufzubauen und alle zu beschäftigen. Bereits eine Stunde vor der Parade waren die ersten Kinder in vollem Kostüm auf den Stelzen. Ich war ziemlich am Hin und Her rennen, Sabine war voll damit beschäftigt, dass alle ihre Kostüme richtig anziehen und diese entsprechend des warmen Wetters noch aufschneiden und luftiger machen.


  
  

Typischer Weise hatte ich es selbst nicht geschafft, meine Stelzen vorher auszuprobieren und musste feststellen, dass ich einen Teil der Halterung seitenverkehrt angeschraubt hatte. So wurde das Laufen für mich sehr schmerzhaft!

Insgesamt waren fast alle Kinder überwältigt von all den trommelnden, in Federboas und bunten Dessous herum stapfenden Erwachsenen. Manche schüchterte es schon sehr ein und besonders Salongs Kinder hatten wenig Freude am Umzug, auch war unsere Musikanlage sehr störanfällig und konnte nicht mit den Trommeln und PAs der anderen Gruppen mithalten.

Trotzdem bemühten sich alle redlich und probierten die geübten Choreografien und Tänze auf den Umzug zu übertragen. Schließlich waren wir nach knapp zwei Stunden alle recht froh, das Ziel zu erreichen und unsere Masken, Stelzen und Kostüme auszuziehen. Liam meinte, dass er gleich schlafen gehen möchte und Nelio hatte erst mal einen Bärenhunger und verschlang seine restliche Nudelportion vom Mittagessen.


  

Bereits eine Stunde später begann die Karneval Aftershow Party mit kurzen Präsentationen der teilnehmenden Gruppen und einem erneuten zehngängigen Abendessen. Wie wir später herausfanden, scheint es durchaus üblich zu sein, dass es zehn verschiedenen Speisen bei solch einem Essen gibt, bei Hochzeiten werden sogar 15 angeboten. Einem Teil unserer Gruppe war das Ganze zu laut und hektisch und sie flohen in eine andere Lokalität. Wir hielten durch, waren natürlich auch besser eingebunden, da viele unserer Freunde aus Taipeh angereist waren, wie z. B. auch Gordon, der Gründer der Dream Community. Diesmal stellte sich das Essen als alles andere als vegetarisch heraus und umfasste auch so kulinarische Fragwürdigkeiten wie Haiflossen-Sushi, chinesisches Eisbein oder Hühnerfüße. Wir hatten jedenfalls große Mühe hinterher zu kommen und machten am Ende davon Gebrauch, dass man bei solchen Events das übrig gebliebene Essen einfach in Plastiktüten einpackt und mitnimmt. Das Fest begann krachig und gesellig und war dann aber nach einer guten Stunde auch schon wieder schlagartig vorbei.

  
  
  

Die Nacht verbrachten wir dann in der dritten Kirche dieses Wochenendes! Diesmal war es die evangelische Tante von Salong, die mit ihrem Ehemann eine kleine Kirche in Pingtong bewohnte, wo wir zu neunt, zusammen mit fünf Jungen aus unserer Gruppe in einem Raum nächtigten. Leider begannen in der Nacht verschiedene Viren ihr Unwesen zu treiben. Nelio musste sich mehrfach übergeben und Billy bekam kaum noch Luft und weinte bitterlich. Wie sich am kommenden Tag herausstellte hatte er sich einen Influenza A Virus eingefangen, der in den kommenden Tagen leider noch viele andere in der Kommune krank werden ließ. So fuhren wir ohne weitere Umwege nach Hause und machten nur einen längeren Mittagsstop in Tainan, der ältesten, tempelreichsten und mit knapp zwei Millionen Menschen fünftgrößte Stadt Taiwans. Gegen Abend erreichten wir Sanyi und hatten alle das Gefühl wieder nach Hause zu kommen. Lange Berichte mit vielen Fotos beendeten unseren Ausflug und wir gingen glücklich wieder in unsere kleines Zimmerchen.

  

Die nächsten Tage waren wir damit beschäftigt alles wieder auszupacken und neu zu sortieren. Wir haben eine kleine Maskengalerie eingerichtet und ein neues größeres Zimmer bezogen. Es hat uns allen Spaß gemacht, umzuräumen, uns einzurichten und es wohnlich zu gestalten. Jetzt hängt auch unsere Neujahrs Kalligraphie und der Kalender von Lalas Mutter, einer taiwanischen Malerin, an der Wand, den sie uns stolz noch während der Parade übergeben hatte. Die Kinder schlafen in einem eigenen großen Bett und haben zwei kleine Sessel zum Lesen im Zimmer. Es gibt einen schönen Schreibtisch und ausreichend Platz, unsere ganzen Sachen aufzuhängen und in Fächern zu verstauen.
      

Da der nächste Auftritt beim Sprouts Land Art Festival in Puli schon in der kommenden Woche stattfindet und vorher noch das große chinesische Neujahrsfest gefeiert wird, haben wir uns gleich dran gemacht und die weiteren Auftritte vorzubereiten. Nach mehreren Auswertungsgesprächen haben wir über die Besetzung beim Festival beraten und von der Community verschiedene Geschichten erzählt und mit viel Mühe übersetzt bekommen. Adam und Lingling kamen wegen des Grippevirus erst zwei Tage später als geplant dazu, waren jedoch schnell wieder integriert und mit frischem Elan dabei. Außerdem brachten sie noch Jonas und seine Tochter Cici mit, die wir schon in Taipeh kennenlernten und die sich super mit Nelio und Liam versteht.

Wir haben mit Körpertraining begonnen und uns spielerisch einer Geschichte genähert, die von einem Städter handelt, der aufs Land zieht und durch das Leben im Einklang mit der Natur schließlich selbst zum glücklichen Baum wird, auf dem die Vögel schließlich ihre Nester bauen und und und …

eben die Geschichte unserer Community Son of Man!

Ein Kommentar

  • Voll die Artisten. Können die Kinder jonglieren?

    Und ich habe auf einem der Bilder ein T-Shirt von mir gesehen. Wahnsinn, dass das so lange aushält.